Die Bedeutung der Mundgesundheit wird im medizinischen Alltag häufig unterschätzt. Die Zahnmedizin gilt als eigenständige Disziplin − dabei finden sich besonders im Mundraum oft frühe Hinweise auf systemische Krankheitsprozesse des Körpers.
Bei parodontalen Entzündungen, Schleimhautveränderungen oder Wundheilungsstörungen handelt es sich um keine isolierten Phänomene. Sie spiegeln in vielen Fällen den gesundheitlichen Gesamtzustand wider und verdienen deswegen eine wesentlich stärkere Beachtung. Dies gilt insbesondere bei Betroffenen, die unter internistischen oder kardiologischen Grunderkrankungen leiden.
Der unterschätzte Risikofaktor Parodontitis
Parodontitis zählt zu den häufigsten chronischen Erkrankungen weltweit. In Deutschland sind laut Kassenzahnärztlicher Bundesvereinigung über 30 Millionen Menschen betroffen. Die Entzündung des Zahnhalteapparats entwickelt sich in der Regel schleichend, bleibt lange symptomarm und wird aus diesem Grund häufig zu spät erkannt.
Dabei zeigen zahlreiche Studien einen klaren Zusammenhang zwischen Parodontitis und Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Herz-Kreislauf-Leiden oder rheumatoider Arthritis. Auch Komplikationen in der Schwangerschaft treten häufiger auf, wenn orale Entzündungen unbehandelt bleiben.
Die Deutsche Gesellschaft für Parodontologie hebt immer wieder hervor, dass eine erfolgreiche Behandlung der Parodontitis nicht nur den Zahnerhalt sichert, sondern auch systemische Entzündungsmarker senkt. Besonders relevant zeigt sich dies bei multimorbiden Patient:innen, deren Gesamtzustand engmaschig überwacht werden muss.
Die Bedeutung einer engen Zusammenarbeit im ambulanten Sektor
In der Versorgungspraxis entstehen erfreulicherweise zunehmend interdisziplinäre Kooperationsmodelle zwischen Hausärzt:innen und Zahnärzt:innen.
Der Austausch von Informationen ist unter anderem entscheidend, wenn es um Entzündungswerte ohne klare Ursache oder therapieresistente Verläufe geht. Auch die Zahnmediziner, wie die Zahnarzt Praxis in Frankenthal, weisen darauf hin, dass auffällige parodontale Befunde regelmäßig mit Internist:innen und Allgemeinmediziner:innen abgeglichen werden sollten − zum Beispiel bei einem ungeklärten Blutzuckeranstieg oder persistierender Erschöpfung.
Die enge Zusammenarbeit verbessert Diagnosequalität und führt außerdem zu einem ganzheitlicheren Verständnis chronischer Krankheitsverläufe.
Fachgesellschaften fordern Veränderung: Bildungslücken im Studium schließen
Trotz der klaren Evidenzlage fehlt das Thema „orale Systemrisiken“ heute noch in weiten Teilen der medizinischen Ausbildung.
Eine Untersuchung der Universität Witten/Herdecke aus dem Jahr 2023 zeigt beispielsweise, dass nur etwa ein Fünftel der Medizinstudierenden grundlegende Kenntnisse über Parodontalerkrankungen besitzt. Dabei wünschen sich laut derselben Studie über 70 Prozent der Befragten eine stärkere Verknüpfung von Human- und Zahnmedizin im Curriculum.
Fachgesellschaften wie die Bundeszahnärztekammer fordern schon seit Jahren, dass orale Befunde als fester Bestandteil in der Anamnese etabliert werden. Die Fähigkeit, Veränderungen im Mundraum zu erkennen und in einen klinischen Gesamtkontext einzuordnen, trägt langfristig zur Früherkennung von schweren Krankheiten, wie Leukämie, Autoimmunerkrankungen oder chronischen Infektionen, bei.

Die Relevanz für die klinische Praxis
Für den ärztlichen Alltag ergeben sich aus diesen Erkenntnissen ebenfalls klare Handlungsperspektiven.
Bei Risikopatient:innen mit kardiovaskulären Vorerkrankungen, bei Patient:innen mit schlecht eingestelltem Diabetes oder bei unklaren Erschöpfungssyndromen sollte der Mundraum gezielt untersucht und gegebenenfalls eine zahnärztliche Abklärung vorgenommen werden. Auch bei Patient:innen mit Antikoagulation oder einer geplanten Operation hilft eine vorherige parodontologische Einschätzung dabei, Komplikationen zu vermeiden.
Die Zahnärzt:innen profitieren wiederum von Rückmeldungen über aktuelle Medikationen oder systemische Veränderungen. Diese nehmen Einfluss auf die oralen Befunde, zum Beispiel bei einer immunsuppressiven Therapie, Osteoporosemedikation oder Chemo-Regimen.
Das medizinische Denken muss neu verzahnt werden
Der Mund ist kein abgeschlossener Raum, sondern ein sensibler Teil des Gesamtorganismus des Menschen.
Studierende, die bereits in ihrem Studium ein Bewusstsein für die hohe Relevanz oraler Befunde entwickeln, können im späteren klinischen Alltag strukturierter, präziser und vorausschauender handeln.
Das Verständnis für interdisziplinäre Zusammenhänge zwischen Zahn- und Humanmedizin ist nicht nur aus fachlicher Sicht sinnvoll, es verbessert auch die Versorgung und Lebensqualität der Patient:innen und Patienten nachhaltig.