Die Impfpriorisierung für vulnerable (besonders gefährdete) Gruppen der Bevölkerung wurde in Deutschland am 7. Juni 2021 aufgehoben. Dies konnte die Bundesregierung auf Vorschlag von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) beschließen, weil die Organisation der Impfungen in Impfzentren sowie bei Haus- und Betriebsärzten sehr gut funktioniert. Allerdings gibt es dennoch nicht genügend Impfstoff, damit jeder Impfwillige zeitnah einen Termin erhält.
Was bedeutet der Wegfall der Impfpriorisierung?
Es bedeutet, dass Ärzte und Impfzentren seit dem 7. Juni 2021 jeder impfwilligen Person einen Termin für die Erst- oder Zweitimpfung geben können. Die Terminvergabe erfolgt nach zwei Kriterien:
- #1 Reihenfolge der Anmeldung beim betreffenden Arzt oder im Impfzentrum
- #2 individuelle Entscheidung des Arztes in Bezug auf den Vorrang bestimmter Impfwilliger wegen ihrer möglichen Vulnerabilität
Der zweite Punkt ist heikel und die Ursache dafür, dass es sofort nach dem Aufheben der Impfpriorisierung zu einem massiven Ansturm auf Arztpraxen kam, bei dem einzelne Impfwillige teils erheblichen Druck ausüben, um schneller an einen Termin zu gelangen. Dabei wurde dieser Punkt in der Öffentlichkeit nur wenig kommuniziert, und das schon vor etlichen Wochen, als erste Überlegungen zur Aufhebung der Impfpriorisierung in Regierungskreisen kursierten. Damals erwähnte der Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums Hanno Kautz eher beiläufig, dass natürlich Hausärzte, die ihre Patienten gut kennen, nach wie vor vulnerablen Patienten bevorzugt ein Impfangebot unterbreiten können. Einige Magazine der öffentlich-rechtlichen Sender griffen dieses Statement auf und befragten (wenige) Ärzte dazu, die bestätigten, dass man auch nach der Aufhebung der Impfpriorisierung natürlich vorrangig an die gefährdeten Patienten denken werde. Wenngleich hierum kein großer medialer Wirbel entstand, haben sich offenkundig doch viele Menschen gemerkt, dass Ärzte einen gewissen Entscheidungsspielraum bei der Vergabe von Impfterminen haben. Aus diesem Grund gibt es nun „Drängler“, die unbedingt vor den Sommerferien beide Impfungen erhalten möchten. Arztpraxen berichten seit dem 7. Juni 2021, dass ihre Telefone nicht mehr stillstehen.
Warum gab es die Impfpriorisierung?
Angesichts knappen Impfstoffes mussten in den ersten Impfmonaten zwei Personengruppen bevorzugt geimpft werden:
- #1 Personen, bei denen das Risiko eines schweren Krankheitsverlaufs besonders hoch ist (daher unter anderem die Priorisierung der ältesten Bevölkerungsgruppe)
- #2 Personen, die a) berufsbedingt besonders viele Kontakte haben und b) für die Bewältigung der Pandemie (medizinisches Personal) und die Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens bzw. der öffentlichen Ordnung (Polizisten, Lehrer, Mitarbeiter der Justiz etc.) besonders wichtig sind
Wiederum wurde der letztgenannte Punkt wenig kommuniziert. Jedoch kann es sich kein Staat der Welt leisten, dass sein medizinisches Personal und seine Beamten ausfallen. Daher werden solche Personengruppen in einer Krise bevorzugt geschützt. Das gilt aber als Politikum, mit dem man die breite Öffentlichkeit nur sparsam dosiert konfrontiert, um keine Proteste und schon gar keine Panikreaktionen der Benachteiligten auszulösen. Die Bundesregierung informierte zuletzt im Mai 2021 über die Impfpriorisierung, um die bekanntermaßen seit dem Herbst 2020 heftig gerungen worden war. Unter anderem war damals diskutiert worden, ob man zuerst Polizisten oder zuerst Lehrer impfen solle.
Gilt die Aufhebung der Impfpriorisierung seit dem 7. Juni 2021 deutschlandweit und flächendeckend?
Nein. Da der Impfstoff nach wie vor knapp ist, dürfen die Bundesländer in den von ihnen betriebenen Impfzentren die Priorisierung übergangsweise aufrechterhalten. Die Arztpraxen wiederum (Haus- und Betriebsärzte) unterliegen keinerlei Vorschriften, sie entscheiden wie oben beschrieben. Daher gibt es aktuell auch keinen Ansturm auf die Impfzentren, sondern nur auf die Arztpraxen.
Warum wurde die Impfpriorisierung aufgehoben?
Dies war eine politische Entscheidung aus dem Hause von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Es soll den Druck lindern, der von den vielen Millionen Impfwilligen ausgeht. Parallel mit der Ankündigung wurde immer betont, dass es nicht genügen Impfstoff gibt, um sofort alle Impfwilligen zu impfen. Die Bundesregierung kommuniziert diesen Punkt übrigens anders: Sie beteuert, dass man die Priorisierung wegen des hohen Impffortschritts aufheben konnte. Dieses Statement passt aber mit der Knappheit des Impfstoffs nicht zusammen.
Was bedeutet die Aufhebung der Priorisierung praktisch?
Praktisch kann sich jede impfwillige Person derjenigen Altersgruppen, für die Impfstoffe zugelassen sind, seit dem 07.06.2021 um einen Impftermin bemühen – beim Haus- oder Betriebsarzt sowie in einem Impfzentrum. In der Regel nehmen die Ärzte und Impfzentren diese Anfrage auf und vergeben etwas später die Termine. Wann das geschieht, hängt von ihren Impfstoffmengen ab. Es kann Tage oder Wochen dauern.
Wann wird es genug Impfstoff für ein schnelles Impfen geben?
Die Bundesregierung schätzte am 9. Juni 2021 ein, dass, dass es am „Ende des Sommers“ genug Impfstoff geben werde, um allen Impfwilligen zeitnah ein Impfangebot unterbreiten zu können.
Hat die Aufhebung der Impfpriorisierung Konsequenzen für bereits vergebene Impftermine?
Nein. Bereits vergebene Impftermine bleiben bestehen. Allerdings stellt sich die Frage, ob einzelne Ärzte die Anträge auf einen Impftermin nun in einer neuen Reihenfolge (siehe wiederum ganz oben) bearbeiten.